Finnsnes und Tromsø

Ein zu Beginn trüber Tag wandelt sich in einen Tag voller überwältigender Eindrücke.

Ralf

7 Min. Lesedauer

Was für ein Start in den Tag. Ich werde wach, schau aus dem Fenster und möchte mich am liebsten gleich wieder hinlegen. Nebel und Schnee! Dazu ein Wind, der einem den gepriesenen Zauber der Arktis schnell und nachhaltig aus den Rippen bläst. Also erst einmal frühstücken, diesmal kein Fisch! Dann raus auf’s Deck und die Tristesse einfangen. Da mich auch wieder mein Rücken plagt und die Fahrt derzeit aber auch gar nichts zu bieten hat, beschließe ich, mich noch ein Weilchen auf das harte Sofa meiner Kabine zu legen und vielleicht sogar ein Nickerchen zu halten.

Nach eineinhalb Stündchen dann ein ganz anderes Bild. Wir sind in der Anfahrt auf Finnsnes und ich traue meinen Augen nicht. Kaum noch eine Wolke am Himmel. Glänzendes Panorama und Freude über das gute Wetter, wohin das Auge blickt. Fissnes selbst ist ein kleines pittoreskes Dörfchen mit ca. 4.000 Einwohnern und liegt in einer eindrucksvollen Landschaft, welche durch den Sonnenschein besonders hervorgehoben wird. Man merkt, dass wir uns nun schon in weit nördlich gelegenen Gefilden bewegen. Die Sonne steht nicht sehr hoch über dem Horizont, obwohl es bereits Mittag ist. Dafür taucht sie die Szenerie in ein sehr warmes und angenehmes Licht. Ich kann mich gar nicht satt sehen an dem Spiel der Farben, Schnee- und Seereflexe sowie der langen Schatten. Schade nur, dass der Aufenthalt nur 30 Minuten dauert, so mussten alle Bilder vom Schiff aus gemacht werden. Die beiden bei der Hafenausfahrt gemachten Bilder sind zwischen 11:50 und 12:00 Uhr aufgenommen. Sie zeigen gut, welche Lichtverhältnisse hoch oben im Norden herrschen. Leider kann ich nicht mehr Bilder aus Finnsnes in diesen Artikel einarbeiten, denn er wird schon so dank der hohen Zahl an weiteren einzubettenden Fotos die an Bord geltenden Grenzen der Nettiquetten für den Datentransfer bei weitem überschreiten.

Die nun beginnende Fahrt von Finnsnes nach Tromsø wurde von vielen Eindrücken begleitet. Zum ersten mal hatten wir es mit Eisschollen zu tun. Zugegebenermaßen eher Babyeisschollen. Aber immerhin. Auf diesen dann Möwen, die erstaunlich selten auf dieser Fahrt zu sehen sind. Überhaupt sieht man hier recht selten Getiers. Ein paar Seeadler gab es, aber da war entweder die Kamera nicht ich Reichweite oder sie war mit dem falschen Objektiv bestückt. Suchbilder machen einfach keinen Spaß, daher gibt es bis jetzt noch kein Seeadler-Bild. Umso erfreuter war ich dann über die Möwen auf den (Baby)Eisschollen, denn eigentlich wollte ich einige Häuser am nahe vorbeiziehenden Ufer fotografieren und hatte deshalb das Tele aufgelegt. Eines der Ergebnisse seht ihr unten auf dieser Seite. Natürlich folgt auch ein Bild der eigentlichen Objekte meines Interesses: Ein Bootshaus mit überdachtem Steg.

Da wir bis zur Ankunft in Tromsø (das Tromsö ausgesprochen wird) noch etwas Zeit haben, kann ich ja mal kurz über das Leben an Bord berichten. Die Bilder vom Schiff und meiner Kabine habt ihr ja schon gesehen (die Nasszelle ist übrigens geräumig genug, um nicht bei jeder Drehung irgendwo anzuecken). Die Crew ist bis auf die leitenden Offiziere überwiegend recht jung und ausnahmslos alle sind ausgesprochen freundlich. Bleibt die Frage der Sprache(n). Alle Ansagen erfolgen selbstverständlich zuerst auf Norwegisch, schließlich handelt es sich um ein Postschiff, das zuallererst einmal ein Arbeitsschiff ist. Danach folgt Englisch. Fast jede Norwegerin spricht ausgezeichnet englisch. Danach wäre eigentlich Schluss, doch die hohe Anzahl an deutschen Passagieren hat Hurtigruten einen ausgezeichnet deutsch sprechenden Reiseleiter einsetzen lassen. Tatsächlich ist es wohl so, dass mindesten die Hälfte aller Passagiere deutsche sind. In der Regel Rentner, die bereits zum x-ten Male diese Route fahren. Ich habe bisher kaum jemanden kennengelernt, der die Route wie ich zum ersten Mal fährt. Einem meiner Tischnachbarn, übrigens Nichtrentner und aus Köln kommenden, ergeht es genau so wie mir. Womit wir bei den Mahlzeiten wären. Frühstück und Lunch werden zu Zeiten reserviert, die sich an dem Ausflugsangebot orientieren. Jeder, der an einem organisierten Ausflug teilnimmt, soll alle Mahlzeiten an Bord einnehmen können. Das führt zu so seltenen Stielblüten wie Frühstück von 7:30-10:00 Uhr und Lunch von 10:45-13:00 Uhr. Das erlaubt mir morgen noch schnell vor dem Ausflug zum Nordkap mein Lunch einzunehmen. Das Dinner oder Abendessen wird von den Norwegern lustigerweise Middag genannt und in zwei Durchgängen eingenommen. Während Frühstück und Lunch in Buffet-Form mit freier Platzwahl serviert werden, ist man Abends einer festen Zeit und einem festen Tisch zugeordnet. So sitze ich jeden Abend um 18:15 Uhr an Tisch 18 und bekomme das Essen serviert. Die Speisefolge ist fest vorgeschrieben und kann schon vor der Fahrt eingesehen werden. Es gibt immer etwas frisches aus der Region, die man gerade durchfährt. Heute Abend hatten wir z. B. Grüne Erbsensuppe mit Speckwürfeln und Sahneschaum, Gegrillter Stockfisch mit Kartoffelpüree, Porto-Sauce und Speck sowie einem Käsekuchen, serviert mit Waldbeeren-Kompott. Bisher hat alles so ausgezeichnet geschmeckt, dass ich heute Mittag aus Selbstschutz das Lunch einmal ausgelassen habe.

Da alle wichtigen und besonderen Ereignisse angesagt werden, herrscht hier schon mal eilige Hektik an Bord. Sei es ein anstehender Ausflug, die Vorbeifahrt eines südwärts gehenden Hurtigruten-Schiffes, besonderer Sehenswürdigkeiten die gerade passiert werden, Ausnahmeerscheinungen wie parallel schwimmende Eisbären (Originalton Mitreisender) oder das Nordlicht, alles wird angesagt. Nur Nachts herrscht weitestgehend Ruhe. Wer garantiert nichts verpassen will, kann sein Telefon in der Kabine so einstellen, dass die Durchsagen auch dort gehört werden. Damit z. B. auch ja nicht das Nordlicht verpasst wird. Die Ansagen und das was man selbst so sieht, führt eigentlich dazu, dass man die Kamera immer mit sich herumschleppen möchte und ständig auf Patroulliengang auf Deck ist. Doch Gott sei Dank bringt einen die Kälte und der oft eisige Wind recht früh wieder zur Vernunft und zu einer Tasse warmen Kaffee. Den gibt es hier übrigens im Abo. Für 290 NWK kann man einen Thermobecher kaufen und hat dann Kaffee und Tee satt. Bei 27 NWK / Tasse Kaffee durchaus empfehlenswert.

Noch ein Wort zum Klima. Ich hab ja schon mehrfach erwähnt, dass es einem auf den Aussendecks recht schnell kalt werden kann. Das hat aber weniger mit den Temperaturen zu tun, denn wir bewegen uns immer noch mit dem Golfstrom, sondern mehr mit den vorherrschenden Winden. Man darf nicht vergessen, dass die MS Polarlys eine Geschwindigkeit von max. 15 Knoten erreicht. Das sind ungefähr 27 km/h. Das ist schon ein recht ordentlicher Fahrtwind, besonders, wenn dieser schneidend kalt ist. Wenn sich der noch mit dem hier vorherrschenden Winden vereint, drückt es schon ganz schön im Gesicht, wie Werner sagen würde. Da werden die tatsächlichen Temperaturen von etwa -6 °C schnell als deutlichst kälter wahrgenommen.

Nun aber endlich zu Tromsø, der größten Stadt Nord-Norwegens mit etwas mehr als 70.000 Einwohnern. Schon von weitem ist die Stadt an seiner Brücke, die das Festland mit der Insel verbindet, zu erkennen. Brücken in dieser Form gibt es viele in Norwegen (siehe Finnsnes). Aber an keiner steht ein so weithin sichtbares Bauwerk wie die Eismeer-Kathedrale. Da ich diese unbedingt besichtigen wollte, hatte ich zwei Tage zuvor bei der Reiseleitung noch eine geführte Stadtrundfahrt gebucht (ich berichtete). Leider war die alles in allem lohnenswerte Tour so angelegt, dass es zwischendurch keine Stops für Fotos gab. Motive waren jedenfalls genug vorhanden. Doch der Hauptgrund für diese Tour, die Kathedrale, konnte ich fotografieren. Und sollte ich später noch einmal nach Tromsø kommen, weiß ich ja nun, wo ich was finden kann.

Und dann war es endlich so weit. Pünktlich nach dem Abendessen. Das, woran ich heute Morgen ob des Wetters noch absolut gezweifelt hatte. Nordlicht! Der einzige Grund, warum ich diese Fahrt überhaupt machen wollte, war: Einmal das Nordlicht sehen. Leute, es ist faszinierend. Grandios. So etwas mit eigenen Augen zu sehen, hat etwas. Und das Beste: Meine Kamera war bestens vorbereitet auf dem Stativ verschraubt. Das Display gedimmt, das Weitwinkel auf 17 mm gelockt, die Entfernung manuell auf unendlich gestellt, ISO 800 gewählt, Blende 2.8 mit 10 Sek. Belichtungszeit und, ganz wichtig, Selbstauslöser eingeschaltet. Ich brauchte nur noch das Stativ mit der verbundenen Kamera greifen, draußen aufstellen, ausrichten und auf den Knopf drücken. Was ich auch getan habe. Und obwohl die Aufnahmen von einem mit 15 Knoten fahrenden Schiff aus gemacht wurden, gefallen sie mir ausgesprochen gut. Denn sie zeigen das, was ich mit eigenen Augen gesehen habe. Eine gute dreiviertel Stunde lang. Da spürt man plötzlich die Kälte nicht mehr und der Wind wird zur Nebensache. Ebenso wie die Unschärfe der Bilder, was der langen Belichtungszeit auf dem sich stets bewegenden und vibrierenden Schiff geschuldet ist.

Hier alle ausgesuchten Fotos als Galerie:

Aufgrund der zahlreichen Aktionen heute, der daraus resultierenden Länge des Artikels und der vorgerückten Zeit habe ich diesen Artikel nicht einmal ansatzweise Korrektur gelesen. Rechtschreibfehler daher bitte verzeihen und melden.