Über den Norden nach Süden
Eine Tour entlang der Küste, die nach Reiseführer zwei Stunden dauern soll

Nach einer etwas länger dauernden Schlafperiode und gewissen Motivationsschwierigkeiten am Morgen haben wir für heute eine gemäß Reiseführer nur kurze Tour mit dem Auto geplant. Eigentlich genau das Richtige für einen Tag, der sich nicht nur laut Wetterbericht eher wolkig geben wollte. Es sollte entlang der Küste Richtung Nordwest gehen, um dann, weiter der Küstenlinie Richtung Süden und Südost folgend, an den Ort zu gelangen, von dem wir den schon am ersten Tag aufgesuchten Supermarkt leicht erreichen konnten. Was für ein Satz. Bildlich übersetzt sollte also die linke Hälfte der Insel entgegen dem Uhrzeigersinn auf Küstenstraßen befahren werden.
So gegen halb eins Ortszeit machten wir uns schließlich auf den Weg. Das erste Ziel: Porto Moniz. Angepriesen werden die Meeresschwimmbecken und es ist immer wieder die Rede von einem Strand - eine Seltenheit auf Madeira. Bei den Meeresschwimmbecken handelt es sich um natürliche, mit Wasser gefüllte Löcher im Lavagestein, die zum Baden einladen.
Porto Moniz, das können wir jetzt mit Bestimmtheit sagen, ist nichts für uns. Ein durch und durch touristischer Ort. Die natürlichen Becken sind recht übersichtlich, werden von zahllosen Touristen begangen und sind bestimmt nicht der Ort, wo wir freiwillig schwimmen gehen würden. Das taten überhaupt nur wenige.
Allerdings gibt es auch ein echtes Schwimmbad mit Badesherrifs (und Eintrittsgebühr), die über ähnliche Becken verfügen und lange nicht so stark besucht sind wie die freien Pools. Von dort kann man - wenn es denn die Sherrifs erlauben - auch direkt im Atlantik schwimmen. Heute war dieser Bereich allerdings abgesperrt, vielleicht wegen zuviel Seegang?
Ansonsten gibt es nicht wirklich lohnenswertes über Port Moniz zu berichten. Strand hatten wir übrigens keinen gesehen. Wir haben auch nicht danach gesucht.
Also weiter nach Achadas da Cruz. Dort soll es eine Seilbahn geben, die den Ort mit den Feldern auf der an der Küste gelegenen Fajä (was immer das heißen mag) verbindet. Im Reiseführer steht: “Hier unten fühlt es sich wirklich an wie am Ende der Welt”. Falsch! Nach einer abenteuerlichen Fahrt über schlechte Straßen mit engen Kurven, ordentlichen Steigungen und ebenso ordentlichen Gefällen haben wir die Bergstation der Seilbahn erreicht. Schon hier hätte man getrost vom Ende der Welt sprechen können. Ein Blick nach unten entlang der Seile stellte sofort klar: Nichts für meine bessere Hälfte! mindestens 80% Gefälle! Geht gar nicht. Ok, ich wollte mich opfern, konnte aber nicht. Die Seilbahn war wegen Reparaturarbeiten außer Betrieb. Glück für Andrea, Pech für mich. Und da wir hier ja am Ende der Welt waren, gibt es auch nicht mehr über diesen Ort zu schreiben, es sei denn, ihr seid an der verspielten Jagd einer jungen Katze nach einem Käfer interessiert. Ihr merkt schon, es war wirklich gar nichts los da oben.
So ging es denn auch nach nur kurzem Aufenthalt weiter zu Madeiras westlichstem Ort, Ponta do Pargo. Ein Leuchtturm und ein Teahouse sollten hier unbedingt aufgesucht werden. Die Strecke dorthin war sehr kurvenreich und es ging ständig auf und ab. Nur damit ihr ein Gefühl für die Steigungen bekommt, die einen meist unmittelbar hinter einer scharfen Kurve erwarteten: Viele davon mussten im 1. Gang gefahren werden, da schon im 2. Gang dem Motor die Puste ausging. Wohlgemerkt einem Diesel (wenn auch mit riesigem Turboloch). Genau so war es auf den Abfahrten. Motorbremse? Kannste vergessen. Die Schwerkraft hat den Reibungswiderstand des Motors spielend überwunden und der Beschleunigung freien Lauf gelassen. Für Andrea war gar nichts, und das, obwohl ich entgegen meiner sonstigen Gepflogenheiten überaus gesittet gefahren bin.
Als wir den Leuchtturm dann endlich erreichten, kam gleich die nächste Enttäuschung. Das soll ein sehenswerter Leuchtturm sein? Ha ha ha. Drei mal kurz gelacht. Zweckmäßig in seiner Funktion, aber armselig in seinem Erscheinungsbild. Erst wollten wir gar nicht aussteigen, ich tat es aber dann doch. Zumindest ein Beweisfoto musste schließlich her. Wie gut, dass ich tat, was ich tun musste. Hinter dem Leuchtturm ging es zum Klippenrand, der eigentlich eine Abrisskante ist. Der Leuchtturm steht 300 Meter über dem Meeresspiegel und am Klippenrand ging es mit annähernd 90° steil bergab. Da war also nichts mehr zu sehen außer Kante und Meer. Dazu ein grandioser Ausblick auf die Steilküste Madeiras. Der schönste, den ich bisher gesehen habe. Dafür musste ich natürlich Andrea aus dem Auto holen und natürlich war auch sie begeistert, obwohl es ihr in der Nähe der Klippenkante doch sehr mulmig zumute war. So war sie denn auch froh, als wir uns in Richtung Teahouse auf den Weg machten. Dasselbige ward schnell gefunden und ebenso schnell auch wieder vergessen. Etwas besonderes war es nicht, eher Durchschnitt und der viel gepriesenen Ausblick auf das Meer wurde an den meisten Tischen durch Sträucher verdeckt. Die wenigen mit freiem Blick waren natürlich alle belegt.
Der nächste Etappe sollte uns nach Paúl do Mar bringen. Das Ziel dort die Snack Bar Bay Side Cafe, bekannt für ihren leckeren Fisch. Der Weg dorthin führte nun weg von der Küste weiter hinein ins Hochplateau. Wieder eine extrem kurvige Strecke, die sich gegen Ende in ebenfalls extremen Gefälle wieder der Küste näherte. Vorbei an Bananenplantagen ging es schließlich in den kleinen Ort, dessen Zentrum durch schmale, nicht mit dem Auto befahrbare Gässchen gezeichnet ist. Folglich machten wir uns per Pedes auf den Weg, die so viel gepriesene Lokalität aufzusuchen, um uns frohen Mutes dem leckeren Fisch zuzuwenden. Wie enttäuscht waren wir, dass es das Lokal nicht mehr gab. An der Stelle, an der laut App zum Reiseführer die Snack Bar sein sollte, war nun ein Lokal namens Xama. Was für eine Enttäuschung!
Da es mittlerweile auch schon 18 Uhr geworden war (von wegen zwei Stunden reine Fahrtzeit) und wir noch zum Supermarkt mussten, galt es jetzt eine Entscheidung zu treffen. Die Tour hier abbrechen und auf drei weitere Ziele verzichten, den Supermarkt aufsuchen und in unserem Heimatort Essen gehen oder dieses Restaurant ausprobieren (war nicht sehr gemütlich), die Tour fortsetzen und zum Schluss den Supermarkt aufsuchen. Wir entschieden uns für Variante eins, denn das Lokal am Heimatort kannten wir bereits von einer Stippvisite und es erschien uns momentan vertrauenserweckender als das Xama.
Doch die Krönung kommt zum Schluss. Den Reiseführer in Papier hatten wir nicht mit. Dazu gab es ja die App, in der die Tour mit Karte und Route sowie den Textinformationen genau beschrieben war. Genau? Nein, nicht genau. Im Reiseführer Papier steht eben nicht das Bay Side Cafe sondern das Restaurant Xama! Kein Wunder, dass diese App nur zwei Sterne bekommen hat. Für mich noch zwei zu viel. Diese App ist das beste Beispiel, wie man etwas nicht machen sollte!
So ging es dann auf direktem Weg zum Supermarkt und von dort aus nach Hause. Nur kurz ausgeladen und dann zum Lokal. Das Auto konnte stehen bleiben, denn das Lokal liegt nur ca. 500m entfernt. Allerdings 500 Meter bergauf. Letztendlich bekamen wir dann doch noch in gemütlicher Atmosphäre etwas Gutes zu Essen. Wir konnten draußen auf der Terasse den letzten Lichtstrahlen überm Meer beim Verschwinden zusehen und den Abend mit einem schönen Bier für Andrea und Rotwein für mich ausklingen lassen. Auch wenn heute vieles nicht so gelaufen ist, wie wir es uns das gedacht haben, war es trotzdem eine schöne Tour.
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