Santana

Ein Ausflung nach Santana und der Versuch einer Wanderung nach São Jorge

Ralf

6 Min. Lesedauer

Heute ist also wieder Aktion angesagt. Als Ziel unseres Ausflugs hatten wir uns Santana ausgesucht. Santana ist eine kleine Stadt mit 35.000 Einwohnern an der Nordküste. Also nicht so weit weg von uns, laut Navi ca. 38 Kilometer. Trotzdem sollte die Fahrt eine Stunde dauern. Mittlerweile sind uns die Straßen entlang der Küste ja bekannt, so dass uns die errechnete Zeit nicht unrealistisch vorkam.

Weit gefehlt. Man muss wissen, dass es eine alte Küstenstraße gibt, die aber größtenteils nicht mehr befahren werden darf. Zu viel Steinschlag und für den heutigen Verkehr auch nicht mehr geeignet. Das es zwischen Seixal und Santana noch so ein Stück Straße gibt, das noch befahren werden kann, wussten wir nicht. Das Navi aber schon. Diese Straße abenteuerlich zu nennen, würde ihrem Reiz und Achsenzerstörungsfaktor nicht gerecht. Sehr schmal, voller heftiger Schlaglöcher, gespickt mit Hindernissen vom letzten Steinschlag. Das beschreibt die Straße recht gut. Rechts die steile Felswand, links der Abgrund zum Meer, nur getrennt durch in Abständen aufgestellte sehr niedrige quadratische Steinblöcke, die im Notfall nich einmal ein niederländisches Käserad aus Gouda aufhalten könnten. Tunnel, die nur ein Auto durchlassen und aussehen, als hätte sich ein Riesenkäfer durch den Fels gefressen. Die Wände aus Naturstein, alles andere als glatt oder eben, spärlichst beleuchtet und mit kleinen Wasserfällen durchsetzt. Also mehr eine naturbelassene Höhle mit zwei Ausgängen.
Auf einer solchen Straße waren wir nun unterwegs und beteten was das Zeug hielt, dass uns ja niemand entgegen kam. Ausweichen? Wenden? Unmöglich! Jede bisher in den Schottischen Highlands erlebte Single Track Road war eine Autobahn gegenüber diesem Stück Weg. Was man dieser Straße aber lassen muss: Sie bot teils grandiose Ausblicke auf den nördlichen Küstenstreifen. Schade nur, dass meine Aufmerksamkeit fast ausschließlich auf die Straße gerichtet war.
Irgendwann kam dann ein Aussichtspunkt, an dem man die Straße etwas breiter gemacht hatte, damit die parkenden Autos nicht den Verkehr zum Erliegen bringen. Diese Stelle nutzten wir, um schnell ein paar Fotos zu machen und zur Umkehr. Die Sorge um die Unversehrtheit des Mietwagen war einfach zu groß. Zumal die Beschaffenheit des nächsten einsehbaren Teilsstückes noch schlechter war als das, was wir bisher erleben durften. Glücklicherweise konnten wir kurz nach Verlassen der Schreckenspiste auf eine “normale” Straße in Richtung Santana ausweichen. Das Navi kannte diesen Weg noch nicht, obwohl ich die Karten unmittelbar vor unserem Urlaub aktualisiert hatte. Gut für uns, denn sonst wäre uns diese Abenteuer vielleicht entgangen.

Mit einer guten Stunde Zeitverlust erreichten wir nach einer gewohnt kurvenreichen Achterbahnfahrt Santana, die bekannteste Stadt an Madeiras Nordküste. Insbesondere interessierten mich hier die casas de colma. Dabei handelt es sich um kleine, mit Stroh bedeckte Holzhäuser, die keltischen Ursprungs sind und teils heute noch bewohnt werden. In Santana und Umland gibt es noch gut 100 dieser farbenfrohen Häuser in mehr oder minder gutem Zustand. Wie gut, dass gleich im Zentrum einiger dieser Häusschen stehen und wir uns nicht erst auf die Suche machen mussten. Sie sind wirklich sehr klein. Im Erdgeschoss standen ein Bett sowie eine Sitz- und Waschgelegenheit. Im Obergeschoss wurden meist die Kinder untergebracht. Die mussten außen über eine Leiter hoch, denn eine Treppe gibt es nicht. Vom Charakter her ist solch ein Haus also eigentlich mehr ein Zelt, dass keine Heringe braucht. Aber früher brauchte es eben nicht mehr. Das Leben spielte sich, dank des Klimas auch kein Problem, mehr draußen ab.

Nachdem ich meine Fotos gemacht hatte, ging es weiter zum Hotel Quinta do Furão. Hinter diesem Hotel startet der Küstenwanderweg nach São Jorge. Ihn zu finden war nicht schwer. Ihm zu folgen schon. Natürlich gibt es keine Wegmarkierungen und der Weg ist auch kein Weg, sondern eher ein Trampelpfad. Erst ging es noch eindeutig voran, vorbei an Gemüsefeldern und unter Weinreben hindurch mit immer wieder sehenswerten Ausblicken auf die Küste und das gebirgige Hinterland. Immerhin bewegten wir uns auf einer Höhe von fast 500 Metern über NN.
Doch irgendwann ging uns dann einfach der Weg aus. Bei der Suche nach der richtigen Fortführung stießen wir auf einen Weg, der steil die Küste hinunter (Steilküste, ihr versteht?) zum Wasser zu führen schien. Der wurde aber schon nach kurzer Zeit so abenteuerlich, dass wir wieder umkehrten, was steil Bergauf auf einem Geläuf aus feinem Staub gar nicht so einfach ist. Nachdem wir dann noch eine Weile über Gemüsefelder irrten, beschloss ich mich, einmal meine Wander- und Radtouren-App zu befragen. Und siehe da, sie konnte mir zumindest auf der Karte zeigen, wie wir den Anschluss wiederfinden würden. Das hat auch prima funktioniert. Nur ging es jetzt trotzdem wieder steil bergab. Von immer noch 330 m ü. NN bis runter auf 0. Und das Ganze mussten wir ja auch wieder zurück, denn der Weg war nun mal kein Rundweg. Da meine Liebste schon von dem vorausgegangenen Fehlversuch ziemlich angeschlagen war, entschieden wir uns ob der Steiheit des Abstiegs nach etwa der Hälfte des Weges zur Umkehr. Das war auch gut so, denn als wir am Auto ankamen, waren wir beide klitschnass geschwitzt und Andrea war so ziemlich am Ende ihrer Kräfte. War einfach zu viel für den Anfang.

So sind wir dann mit dem Auto nach São Jorge, denn dort gibt es eine Kirche mit vergoldeten Barockschnitzereien. Sie gilt als die schönste und kunsthistorisch wertvollste Kirche des Nordens von Madeira. Da wir kurz vor Beginn des Abendgottesdienstes dort ankamen und die Kirche sich schon langsam mit Gläubigen füllte, habe ich nur wenige Aufnahmen ohne Blitz gemacht, um niemanden in seiner Andacht zu stören. Das Ergebnis wieder weiter unten.
Was für ein Glück übrigens, dass wir die Wanderung abgebrochen haben. Ziel sollte eigentlich jene Kirche sein. Nur, um diese zu erreichen hätten wir vom Meeresspiegel aus erst einmal wieder auf über 300m ü. NN hoch gemusst. Vielleicht nicht ganz so steil, wie die Seite von der wir kamen, aber immerhin.

Von São Jorge ging es dann direkt nach Hause. Diesmal hat die Fahrt wirklich nur eine knappe Stunde gedauert. Trotz Serpentinen und schleichenden Kleinstfahrzeugen. Zu Hause war erst einmal Duschen angesagt. Danach in neue Kleider und ab auf die Terasse der Lounge Bar untem im Ort direkt am Meer. Hier genehmigten wir uns erst einmal ein frisches Bier, eine ordentliche Mahlzeit und zum Ausklang des Tages etwas hochprozentiges. Dazu die Musik aus der Bar und das Tosen der gegen die Felsen Madeiras anrennenden Wellen des Atlantik. Ein gutes Ende, zumal es Andrea auch wieder deutlich besser ging. Morgen, dass ist schon beschlossene Sache, werden wir einen weiteren Ruhetag einlegen.

Noch eine kleine Anmerkung: Madeira scheint die Insel der Hortensien zu sein. Sie sind allgegenwärtig und in den verschiedensten Farben zu bewundern. Heute habe ich die eine oder andere fotografiert und die Bilder unter die langsam langweilig werdenden aber immer wieder faszinierenden Küstenbilder gemischt.