Kerrera bei Sonnenschein
Eine Wanderung auf der Insel Kerrera

Die letzten Tage haben wir es ruhig angehen lassen. Teilweise nicht ganz freiwillig, denn das Wetter hat uns – Schottland typisch – den einen oder anderen Tag ans Haus gebunden. Die Ruhe hat jedenfalls gut getan. Und ruhig ist es hier in Port Appin. Außer dem Plätschern des Regens, dem Pfeifen des Windes, dem Schreien der Möwen und Wildgänse, dem Rufen des Kuckucks, dem Blöken der Schafe, dem Rufen der Käuzchen und dem Rauschen des Wassers hört man hier nichts.
Nachts wir es hier auch richtig dunkel. RICHTIG dunkel. Keine Straßenlaternen oder andere Lichtquellen, die stören. Eine Wanderung bei Nacht auf einer Straße wird da schon mal zum Abenteuer. Vor allem, wenn neben einem ein aufgeschrecktes Reh in einem Bach die Flucht ergreift. Die Geräusche der von den Hufen durcheinandergewürfelten Bachkiesel und das dumpfen Plopp Plopp, wenn die Hufe Grasboden erreichen, sorgt für garantierten Schauder mit Gänsehaut. Ganz besonders, wenn sich die beschriebene Geräuschkulisse erst von einem weg bewegt, dann aber plötzlich wieder auf einen zu kommt. Nur so war es mir überhaupt möglich, das Reh als solches zu erkennen, Wie gesagt, nachts ist es hier wirklich dunkel.
Unsere bisherigen Aktivitäten haben sich also mehr auf die Erkundung des Umlands und der in der Nähe liegenden Restaurationen beschränkt. Immer nur kleine und nicht sonderlich erwähnenswerte Ausflüge, die ein einigermaßen trockenes Ankommen garantierten. Einige Abstecher in die Geschäftswelten von Oban und Fort William runden das ganze Bild unserer bisherigen Tätigkeiten ab.
Diese für uns eher untypische lange Phase der Untätigkeit war allerdings, wie bereits erwähnt, zum größten Teil dem vorherrschenden Wetter geschuldet. Und damit sollte heute Schluss sein. Sonne! Den ganzen Tag Sonne! Also recht früh raus aus den Federn, ab nach Oban und dort die Fähre nach Kerrera nehmen. Auf der Insel gibt es einen Rundwanderweg, der an einem Castle und einem Café vorbeiführt. Nur ca. 11 km, also keine echte Herausforderung für uns.
Gesagt, getan! An der Fähre gibt es dann einen kleinen Stau. Sie darf nur maximal 12 Personen befördern und scheinbar haben doch eine ganze Menge Leute vor, das schöne Wetter zu nutzen und ein wenig Zeit Kerrera zu verbringen. Wir haben Glück und dürfen gleich mit der ersten Fuhre rüber. So kommen wir dann auch direkt auf den Rundweg, den auch die anderen Fahrgäste begehen. Er führt uns nach einer guten Stunde erst einmal zum Café. Unterwegs mache ich natürlich immer wieder Fotos, was uns einerseits aufhält, andererseits aber auch eine gewisse Einsamkeit verschafft. So kommt es, dass wir die meisten der Fährfahrgäste erst im Café wieder treffen. Hier genießen wir einen Pott Kaffee und dann noch einen etwas eigenwilligen aber schmackhaften Greek Salad.
Gut gestärkt geht es direkt am Café den Abzweig zum Gylen Castle nach. Unterwegs treffen wir ein älteres Paar, dass von den scenic views am Castle schwärmt. Wir sind gespannt und werden nicht enttäuscht. Das Castle ist zwar nur ein kleines und eher ein Turm, aber die Landschaft in der es liegt, ist hinreißend. Leider bin ich nicht in der Lage, diese grandiose Umgebung in einer Art abzubilden, die sie verdient. Man muss es einfach gesehen haben. Diese Spiel von Licht und Schatten in Verbindung mit den teils schroffen Felsen, die im krassen Gegensatz zu den sanft geschwungenen, gelegentlich steilen Grashängen stehen. Das in der Sonne aufstrahlende satthelle Grün der Wiesen, das Rauschen der dunklen See und das Kreischen der in der Luft segelnden, fast auf der Stelle stehenden Möwen – Wow! Die beiden Alten hatten recht, wahrlich schöne views.
Im Gegensatz zu den meisten Gästen der Insel begehen wir den Rundweg weiter. Es geht auf mal steinigen, mal schlammigen, teils überschwemmten Pfaden bergauf bergab einmal um den südwestlichen Teil der Insel herum. Teils geht es an der See entlang, teils über die Hügel im Inselinneren. Fast von überall hat man grandiose Aussichten auf die See, die umliegenden zahlreichen Inseln und das Festland. Die Wege fordern dank ihrer Beschaffenheit dauernde Aufmerksamkeit und sind oft anstrengend zu gehen. Als wir den Fähranleger erreichen, sind wir dann auch ein klein wenig geschafft. Aber auch froh, dass wir diese Wanderung bei diesem herrlichen Wetter unternommen haben.
Nach der Rückkehr, nur noch unterbrochen durch einen kleinen Abstecher in die Einkaufswelt von Oban, gehen wir dann noch ins Pier House Muscheln und Fisch essen. Den Sonnenuntergang begehe ich bei einem Glas Whisky aus der Oban Distillary, während meine Liebste einem fruchtigen Cider den Vorzug gibt.
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