Dörfer-Tour

Von Dörfern, Klöstern und Museen

Ralf

6 Min. Lesedauer

Zeit, dass ich mich mal wieder etwas schreibe, auch wenn wir es in den letzten Tagen ruhiger haben angehen lassen. Unter solchen Bedingungen braucht es ein wenig Zeit, bis wieder genug berichtenswertes zusammengetragen werden konnte. Nun denn, fassen wir die letzten Tage zusammen:

Da sich meine Liebste bei der letzten Wanderung eine dicke Blase eingehandelt hatte, konnten wir nicht allzu viel und allzu weit laufen. Aus der geplanten Erkundung der Gegend rund um Kaysersberg wurde daher die Erkundung von Kaysersberg selbst. Auf der Fahrt dorthin haben wir eine Strecke gewählt, die uns entlang der Elsässer Weinstraße (Route des Vins d’Alsace) führte. Es ging also am Rande der Vogesen über die Landstraße. Hinweg über die Hügel und hindurch durch die Täler der Vogesen, fast immer umgeben von Rebstöcken.
Und nicht selten ausgebremst durch die teils seltsamst anmutenden Erntefahrzeuge der Weinbauern. Diese Fahrzeuge waren von der Bauweise her sehr schmal und kurz. Was ihnen an Breite und Länge fehlte, machten sie durch Höhe wieder wett. Das wiederum erklärt natürlich die niedrige Geschwindigkeit. Ein klein wenig zu schnell in die Kurve und rummms - liegste flach. Einen Elchtest würden die Dinger nie und nimmer bestehen. Müssen sie aber auch nicht. Sie sollen zwischen den eng gepflanzten Rebstöcken agieren und dafür schienen sie bestens gerüstet.

Trotz der “widrigen” Umstände haben wir Keysersberg erreichen können 😄. Ein schönes kleines Städtchen mit einem Stadtkern aus sehenswerten alten Häuschen und Häusern. Im Frühjahr sollen hier wohl viele Störche nisten, gesehen haben wir natürlich keine mehr. Na ja, stimmt nicht ganz. Eigentlich ist Meister Adebar allgegenwärtig. Als Stofftier, aus Holz geschnitzt, aus Blech getrieben, überall begegnet einem der Storch. Wie auch die vielen Touristen, die sich dieses schmucke Städtchen einmal näher ansehen wollen und zu denen wir uns natürlich auch zählen müssen. Trotzdem nicht ganz unser Fall und schon gar nicht in Corona-Zeiten. Also haben wir uns auf einen eher kurzen Rundgung begeben, bei dem einige Erinnerungsschnappschüsse geschossen wurden. Danach ging es schnell wieder zum Auto, um, einer Empfehlung Monsieur Bernards folgend, noch das Dorf Eguisheim aufzusuchen.

Eguisheim, oder in der deutschen Fassung Egisheim genannt, war vor einigen Jahren einmal das schönste Dorf Frankreichs. So zumindest die Aussage unseres Gastwirtes. Tatsächlich kann man nachlesen, dass es als eines der Plus beaux villages de France klassifiziert ist.
Also ging es weiter an der Weinstraße entlang von Keysersberg nach Eguisheim. Hinter der Ortseinfahrt sahen wir, sagen wir einmal normale, gepflegte Häuser mit normalen gepflegten Vorgärten. In dieser Häufung von Gepflegtem zwar schon etwas ungewöhnlich, aber trotzdem nichts, was uns wirklich vom Hocker gehauen hätte. Das sollte reichen, um einen Titel zu gewinnen? Im Leben nicht! Also weiter Richtung Zentrumsparkplatz, dort das Auto abgestellt und die Kirche angepeilt. Die fiel uns direkt auf, weil unübersehbar zwei große Storchennester auf den Zinnen tronten. Kaum hatten wir die Ringstraße überquert und den äußeren Häuserring passiert, wurden wir um ca. 200 - 300 Jahre in die Vergangenheit versetzt. Da waren sie, die alten, dicht an dicht stehenden bunten Fachwerkhäuschen in engen Gässchen, die für den Titel verantwortlich zeichneten. Alles sehr gepflegt und gut erhalten. Wirklich beeindruckend und schön. Den Titel hat das schmucke Dorf zu Recht erhalten.
Natürlich war auch hier ein Rundgang angesagt, zumal lange nicht so viel Touristen unterwegs waren wie in Kaysersberg. Leider ließen sich aufgrund der schlechten Lichtverhältnisse - es ging schon auf Abend zu und die engen Gassen ließen nicht meht viel Sonnenlicht herein - kaum vernünftige Fotos machen. Die Farben der einzelnen Fachwerke verschwammen deutlich in Richtung Grau, was dem tatsächlichen Eindruck einfach nicht gerecht wurde.

Für die Rückfahrt haben wir dann eine Route ausgesucht, die uns mehr durch die Berge führen sollte. So ging es denn auch auf Nebenstrecken bergauf bergab mit vielen Kurven und fantastischen Aussichten zurück nach Triemberg-au-Val. Und weil uns diese Tour so gefallen und Bernard uns eine ähnliche Tour auf den Mont Sainte-Odile empfohlen hat, sind wir am übernächsten Tag seinem Ratschlag gefolgt und auf den Odilienberg gefahren. Zu Andreas großer Freude natürlich nur über kurvenreiche Nebenstraßen. Dafür mit umso fantastischeren Aussichten auf das Rheintal und die Täler der Vogesen. Doch eine wirklich bemerkenswert gute Aussicht hat man vom Odilienberg aus. Eine Klosteranlage auf dem Gipfel lädt zu einem Rundgang ein und eine große Terasse bietet eben diese grandiose Aussicht auf das Rheintal, den gegenüber liegenden Schwarzwald und bei guter Sicht sogar auf die Alpen. Straßbourg ist natürlich ebenfalls zu sehen.
Leider war es an diesem Tag bedingt durch die Hitze etwas zu diesig für eine sehr gute Fernsicht und der Schwarzwald somit nur als Höhenzug zu erkennen. Fotomotive gab es trotzdem genug.

Gestern hat uns Bernard seine beeindruckende Sammlung alter Musikautomaten gezeigt. Dazu gehören Drehorgeln, automatische Klaviere und Spieluhren. Alles Geräte aus den Anfängen der automatisierten Musik. Mit Stahlstiften gespickte Walzen oder gelochte Blechscheiben bzw. Kartons bestimmen die gespielte Melodei. Aufgezogene Federn oder Handkurbeln das Tempo. Alles funktionierte und funktioniert immer noch rein mechanisch. In einer teils sprachlos machenden, teils aber auch Ohrenkrebs erzeugenden Tonqualität und Lautstärke. Eingebettet in Gehäusen, die selbst schon kleine Kunstwerke für sich darstellen. Einige Automaten aus Bernards grandioser Sammlung stammen aus dem letzen Drittel des 19. Jahrhunderts, die anderen meist aus dem frühen 20. Jahrhundert. Fast jeder Automat ist noch voll funktionsfähig und wir durften einigen Kostproben lauschen. „Faszinierend!“ würde der Spitzohrige Mr. Spock wohl gesagt haben!
Neben den Musikautomaten hat Bernard eine nicht minder beeindruckende Sammlung von Kunstwerken der Hinterglasmalerei. Dabei handelt es sich um meist religiöse Motive, allerdings aus den verschiedensten Glaubensrichtungen. Die Werke stammen hauptsächlich aus dem Elsass und Schwarzwald, es sind aber auch Stücke aus anderen Regionen wie z. B. Transilvanien dabei - übrigens ganz ohne Vampirabbildungen. Teile dieser Sammlung reichen bis in das 18. Jahrhundert zurück!
Und als würde das nicht reichen, gibt es noch Sammlungen unterschiedlichster Weihwasserspender und im starken Kontrast dazu die unglaublich aufwändig verzierten Reservistenkrüge und Pfeiffen preussischen Soldaten.

Was gibt es sonst noch zu berichten? Eigentlich nicht viel. Wir genießen die Ruhe, das schöne Wetter und die hervorragende Elsässer Küche. Zuletzt nahmen wir eine gar köstliche Königinnenpastete im Le Sauloch zu uns. Obwohl mächtig und heftig, es blieb nicht ein winziges Krümelchen übrig. Und erst gestern gönnten wir uns Moules Frites. Je ein Riesentopf köstlicher Muscheln, für meine Liebste Natur, für mich mit einer wunderbaren Currysauce. Dazu natürlich Fritten und einen schönen Pinot Gris. Darüber, dass wir sowohl im Sauloch als auch gestern noch Nachspeisen zu uns nahmen … darüber schweigen wir dann lieber.
Während meine Liebste weiterhin ihren Fuß pflegt, versuche ich zumindest gelegentlich und doch vergebens durch Wald- und Wiesenwanderungen die zugeführten Kalorien wieder abzubauen. Ein sinnloses Unterfangen, denn der innere Schweinehund lässt sich im Moment nur allzu leicht davon überzeugen, dass im Urlaub Ruhen nicht schlechter sei als Bewegung. Darum laufe ich derzeit viel weniger als ich eigentlich müsste.
Wir vermeiden weiterhin wo immer es geht die Begegnung mit größeren Menschenmengen. Frankreich ist zur Zeit in einigen Teilen ein Corona Risikogebiet und immer mal wieder fällt auch das Departement Bas-Rhin darunter. Allerdings gibt es keine Reisewarnung und die gemeldeten Fallzahlen dürften unter anderem auf das deutlich höhere Testaufkommen zurückzuführen sein. Wir bleiben trotzdem vorsichtig und gehen kein unnötiges Risiko ein. Das fällt in Triembach-au-Val und Umgebung auch nicht besonders schwer, verbietet aber Stadtbesichtigungen von z. B. Straßbourg, das von den französischen Behörden als Risikogebiet eingestuft wurde. Ein Grund mehr, eine eher ruhige Kugel zu schieben 😄