Saint Pierre la mer

Vom Nutria zu den Muscheln

Ralf

6 Min. Lesedauer

Es geht los

Wieder einmal heißt es: Koffer packen, Auto beladen und ab in den Süden. Natürlich erst nachdem alle logistischen Probleme gelöst sind. So ist die Tochter, Haushüterin und Katzenmama in einer Person, samt ihrem Kater herbeizuholen. Die vor Tagen im Gartencenter gekauften Pfanzen müssen noch schnell in die Erde und der japanische Strauch in seinen größeren Topf gebracht werden. Es sind letzte Wutanfall- Anrufe bei Vodafone zu tätigen und vor allem die Hektik der letzten Tage abzulegen.
Irgendwann war all dies überwunden, das Auto gepackt und voll getankt. Und mit nur einer Stunde Verspätung gegenüber dem ursprünglich gesetzten Ziel konnte es endlich los gehen! Durchatmen. Tief durchatmen.

Die gut 1.100 km wollen wir, meine bessere Hälfte und ich, nicht an einem Tag abspulen. Schließlich bin ich der einzige Fahrer. Also nehmen wir Kurs auf Lyon, wo schon eine Übernachtung in einem Hotel gebucht ist. Nach anfänglich anstrengender Regenfahrt kommt ab Luxembourg mehr und mehr die Sonne durch und das Fahren wird, nicht zuletzt dank dem Tempolimit auf Frankreichs Autobahnen, angenehm gelassen. So erreichen wir Lyon am späteren Nachmittag und beziehen unser Quartier direkt am Fluss Saône.
Nach einem nicht erwähnenswerten Abendessen bleibt noch ein wenig Zeit, dass Flussufer zu erkunden. Dort machen mich schmatzende Geräusche auf ein Tier aufmerksam, dass mich sofort an eine Bisamratte erinnert. Nur habe ich die viel kleiner in Erinnerung. Dieses Tier aber hat die Größe und das Gewicht eines Bibers. Da Biber aber nun mal nicht an solchen von der Schifffahrt genutzten Flüssen zu finden sind geschweige denn geduldet würden, kann es sich eigentlich nur um eine Biberratte, auch unter dem Namen Nutria bekannt, handeln.
Leider hat das gute Tier wohl kein Vertrauen in meine guten Absichten, als ich langsam zu meinem Handy greife, um ein Foto des Pflanzen fressenden Nagers zu schießen. Es entschließt sich zur schnellen Flucht auf’s freie Wasser und so bleibt nur das etwas undeutliche Foto eines davonschwimmenden Nutria.

Nach einem ebensowenig erwähnenswerten Frühstück geht es am nächsten Morgen wieder auf die Piste in Richtung Saint Pierre le mer. Während die Bahn in Gegenrichtung proppevoll ist, kann ich ganz gemütlich mit eingestelltem Tempomat dahingleiten. Im Gegensatz zu Italien, wo gefühlt alle 50 km eine überfüllte Mautstation wartet, wird hier die Reise nur durch eine geplante Pause unterbrochen. Nach der Abfahrt von der Autobahn dann noch eine freudige Überraschung für mich. Das Navi hat für die letzten Kilometer eine Neben-Nebenstrecke ausgesucht. Wohl, weil an sonnigen Samstagen auf der Hauptstrecke zum Meer verkehrstechnisch die Hölle los ist. Ich liebe Neben-Nebenstrecken. Vor allem, wenn sie geteerten Feldwegcharakter haben. Meine Frau liebt solche Strecken eher nicht! Trotzdem lasse ich es nach zwei Tagen eher langweiliger Autobahnfahrt mal ein wenig krachen und hetze den Wagen über Kuppen und durch enge Kurven. Ist ja schließlich ein französisches Modell. Das muss solche Wege kennen und beherrschen. Tut es auch. Aber wieder einmal vermisse ich den guten alten Handbremshebel, der die Hatz noch viel effektiver (und spaßiger) gestaltet hätte.

Kurze Zeit später haben wir unser Ziel erreicht und werden schon von Chantal erwartet, die uns die Schlüssel übergibt. Wir stellen fest, dass sich nicht viel geändert hat. Weder in Saint Pierre noch in dem Haus. Na klar ist das eine oder andere anders und neuer, aber im Großen und Ganzen fühlen wir uns sofort wieder heimisch. Schließlich sind wir nicht zum ersten mal hier, wenn auch der letzte Besuch schon fast 16 Jahre her und mir in nicht so guter Erinnerung geblieben ist. Hier habe ich beim abendlichen erklimmen des Wohnhügels zum ersten Mal mit den Problemen zu kämpfen gehabt, die mir kurze Zeit später einen längeren Krankenhausaufenthalt in NRWs Nordosten beschert haben. Aber das war damals und heute ist eben heute, eine ganz andere Zeit. Die Sonne scheint, es sind ca. 30°C und die Stimmung ist gut. Und eine Flasche Rotwein steht auch auf dem Tisch. Ein Willkommengruß von Gabi, Dirk und Chantal. Der Abend ist jedenfalls gerettet. Auch wenn wir nicht noch einkaufen fahren sollten. Womit aber dank meiner Liebsten bestimmt nicht zu rechnen ist 😉.

Natürlich hatte ich Recht mit meiner Vermutung. Es soll auf Empfehlung von Chantal nach Gruissan zum Supermarche oder Lidl gehen. Beide habe ich als kleine, enge und dunkle Löcher in Erinnerung. Wenig überraschend, dass beide mittlerweile auf den aktuellen Stand der Supermarktausstattungen gebracht wurden. Ist ja, wie gesagt, schon eine Weile her, als wir das letzte Mal hier waren.
Die Veränderungen des Lidl erfstrecken sich sowohl auf die Ausdehnung als auch auf die Ausstattung. Kein Unterschied mehr zu einer aktuellen deutschen Filiale. Den Supermarche haben wir nicht mehr besucht. Da er aber wie der Lidl um das mindestens dreifache gewachsen ist, gehe ich von gleichen Verhältnissen aus.

Nachdem das nötigste gekauft und verstaut ist, heißt es, den Abend auf der Terasse ausklingen lassen. Wie es sich gehört, mit einem Baguette, dazu Salami, Käse und Oliven. Und natürlich ein guter Rotwein. Gut, dass Chantal den schon im Wohnraum plaziert hatte. Dem Angebot bei Lidl habe ich nicht getraut.

In den nächsten Tagen wird erst einmal die Sonne genossen: Am Strand, im bzw. am Wasser (noch sehr kalt), beim Spazierengehen oder auf der Terasse. Getan wird jedenfalls nichts, was auch nur den Hauch von Hektik entwickeln könnte. So lässt es sich aushalten. In der nächsten Woche dann werden wir wohl kleinere Ausflüge ins Umland unternehmen. Ich habe auf Komoot schon drei kleinere Wanderungen ausgesucht, die recht vielversprechend erscheinen. Und villeicht schaffen wir es ja auch, noch einmal die Tour mit dem Train jaune zu wiederholen. Oder zumindest nach Andorra zu kommen. Wer weiß? Wenn wir eines der vage geplanten Vorhaben tatsächlich in die Tat umsetzen, wird es auf jeden Fall hier festgehalten.

NACHTRAG: Dieser Juni war einer der heißesten, die die Gegend bisher erlebt hat. Tagestemperatuten von über 40°C waren keine Seltenheit. Wir waren froh, dass wir weiter oben auf dem Berg wohnten. Am Strand, wir waren ganze drei Mal dort, war es trotz gemieteter Liege mit Sonnenschirm nicht auszuhalten.
Folglich haben wir auch entgegen unserer ursprünglichen Pläne nichts Nenenswertes unternommen und folgerichtig gibt es auch nichts weiter zu berichten. Somit bleibt dies der einzige Artikel zu einem dreiwöchigen Aufenthalt in Saint Pierrer sur Mer.